Wer bin ich denn nun? Teil 2

Zum Teil 1 geht es hier.

In meiner Depression kann ich mich nur schwer auf mein Bauchgefühl verlassen. Oft trübt die Depression den Blick auf meine Situation, auf Beziehungen mit anderen Menschen, auf Möglichkeiten und Hoffnungen, auf Schönes.

Die Krankheit macht mich passiv und lähmt mich. Meine Gedanken über alles und jeden sind verfälscht. Ich beziehe alles Schlechte und alle Schuld auf mich. Dann wäre jemand schlecht drauf, nicht weil er vielleicht vor den Bus gelaufen ist. sondern meinetwegen. Ich bin ja fehlerhaft und das werfen mir die Leute in meinem Gedankenkarussell vor. Die Leute tun das nicht wirklich. Ich stelle mir das nur vor!

Nicht zu reden ist Unwissenheit!

Ich frage die Leute nicht. Ich validiere nicht meine Gefühle. Erst, wenn ich jemanden um Feedback bitte, kann ich mich vergewissern, ob meine Gedanken der Wahrheit entsprechen oder ob sie nur die Ausgeburt meiner Krankheit sind.

Im Gegenzug sollten besonders Freunde mir ihre Gedanken auch mal ungefragt mitteilen. Ich meine, in Freundschaften sollte man doch miteinander reden, wenn einem etwas beim anderen auffällt. Nun ja, besonders gut bin ich darin auch nicht…

Kritikfähigkeit unter Stress

Manchmal scheine ich nicht sehr kritikfähig zu sein. Eine Kritik vertrage ich vielleicht noch, vielleicht auch zwei oder drei gleichzeitig, aber wenn ich das Gefühl bekomme ein riesiges Bündel von Problemen um die Ohren geschlagen zu bekommen, dann reagiere ich mit Panik und ich flüchte aus der Situation der Kritik. Es ist zu viel mit einem Mal. Immerhin ist der Stresslevel bei Depressionen sowieso schon erhöht und jede Kritik packt noch etwas darauf. Am Ende bleibt nur Panik, Tunnelblick und Flucht.

Dann kann es passieren, dass Leute das missdeuten und glauben ich wäre überhaupt nicht kritikfähig. Das stimmt aber keineswegs. Ich brauche die Kritik und das Feedback, weil ich so Informationen über mich bekomme, die mich validieren und die ich nur von dritten bekommen kann. Es wäre nur nett, wenn das Feedback in kleineren Portionen kommen könnte.

Und die Wahrheit ist?

Dabei ist es mir wichtig, dass ich jede Kritik und jedes Feedback von Freunden und lieben Familienmitgliedern zunächst einmal annehme, so schwer das auch sein kann. Die geäußerte Kritik von Freunden entspricht deren Wahrheit. Es ist das was sie empfinden und sehen. Das wird eventuell nicht meiner eigenen Sichtweise entsprechen, aber ich gehe davon aus, dass Menschen, die mir wohlgesonnen sind auch die Wahrheit erzählen und mir damit nichts böses wollen, eher das Gegenteil.

Feedback, Feedback an der Wand…

Mir hilft dieses Feedback mich selbst, quasi von außen, im Spiegel zu betrachten. Das Feedback hilft mir Dinge zu erkennen, die ich allein nicht erkennen würde. Das Feedback lässt mich einschätzen wie stark meine Depression derzeit ist und ob ich gerade auf dem Weg nach unten bin. Mein eigenes Bauchgefühl und meine aufgeklärtesten Gedanken können mich betrügen. Ich bin nie sicher, ob da nicht vielleicht einfach nur die Depression mit mir spricht.

Das bedeutet jedoch nicht, dass Freunde immer richtig liegen. Sie sehen die Dinge auch eben nur aus ihrer Perspektive. Die echte Wahrheit liegt irgendwo anders. Es ist aber wahrscheinlich, dass Freunde näher an ihr dran sind. Deshalb ist es so wichtig für mich deren Meinung zu hören, zu überlegen, ob es sich mit meinen Gedanken deckt oder ob sie oder ich nicht total daneben liegen.

Schmerz teilen oder andere schützen?

Aber das Reden über meine Gefühle fällt mir nicht leicht. Die Depression bringt mich oft dazu meine Gefühle und mein Inneres zu verbergen. Manchmal ist es mir peinlich. Manchmal will ich meine Lieben auch nur schützen. Ich will ihnen nicht unnötige Sorgen bereiten. Manchmal sind meine Gedanken düsterer als sie es sich vermutlich vorstellen können. Ich will nur, dass sie wissen, dass ich krank bin. Ich will nicht, dass sie alle Abgründe kennen. Es gehört extrem viel Vertrauen dazu diese Ebene meiner Krankheit zu offenbaren und dieses Vertrauen habe ich fast nie. Diese Ebene versuche ich ja selbst zu vermeiden. Ich habe Angst vor diesen dunklen Gedanken. Ich will sie nicht auch noch anderen erklären müssen. Ich verstehe sie selbst kaum.

Vielleicht sollte ich diese Gedanken teilen. Ich lasse meine Freunde und liebe Menschen ja im Dunkeln über mich. Ich bin mir nicht sicher. Soll ich das Risiko eingehen, dass ich liebe Menschen mit meinen Gedanken ängstige? Ist das nicht vielleicht auch nur egoistisch von mir und können sie mir überhaupt helfen? Sie wollen mir helfen, aber ich bemerke ihre Hilflosigkeit. Sie wissen nicht, was sie tun sollen und ich kann es ihnen nicht sagen. Wenn ich bloß wüsste, was sie tun könnten. Vielleicht bedingungslose Liebe, aber wie kann ich diese spüren, wenn ich in meinen dunkelsten Stunden denke, das ich diese Liebe nicht verdiene…

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