Heute ist Sonntag. Es ist Januar und der Himmel ist wolkenverhangen. Außerdem ist heute Flohmarkt. Ich gehe ganz gern auf Flohmärkte, und heute ist mein Lieblingsflohmarkt. Der ist ganz in meiner Nähe, nur fünf Minuten mit dem Fahrrad. Da gibt es fast keine Neuwaren, dafür aber jede Menge alten Trödel.
Ich war dort, habe nichts gekauft und jetzt bin ich wieder hier. Ende der Geschichte…?
Stop! Die Sache, um die es eigentlich geht, fand vor dem Losfahren und nach dem Heimkommen statt.
Ausreden finden und Kaffee trinken
Also bevor ich dort hingefahren bin, habe ich erst überlegt, ob ich es überhaupt machen sollte. Ich hatte es mir zwar vorgenommen, aber das war ja gestern. Vorhin schaute ich aus dem Fenster und dachte: „Kalt und mieses Wetter. Mein Fahrrad hat einen Platten. Bleibe ich doch besser daheim und mache mir noch ein Heißgetränk. Ich verpasse da doch nichts.“
Das wäre an einem faulen Sonntag mit bescheidenden Wetter auch für Leute ohne Depression durchaus denkbar, oder? Es gab also einige Gründe nicht zu fahren, vielleicht keine guten Gründe, aber immerhin nachvollziehbare. Aber ich war ja dann doch dort. Und wieso?
Wenn ich mir etwas vornehme…
Mein Problem war, ich hatte es mir vorgenommen, und das war quasi ein Versprechen an mich selbst. Ich hätte es brechen müssen, wenn ich nicht hinfahre und so würde ich mich selbst enttäuschen: „Wenn ich nicht fahre, dann ärgere ich mich hinterher über mich selbst, dass ich meinen Hintern nicht hoch bekommen habe.“
Es könnte sein, dass meine Finger vor Kälte abfallen würden, dass Sturm und Regen in mein Gesicht peitschen würden, dass mein Fahrrad unter mir zusammenbrechen würde oder ich tatsächlich einmal wieder nichts auf dem Flohmarkt finden würde.
Das war alles egal. Ich hätte mich möglicherweise über Kälte, Wetter, Fahrradplatten und Flohmarktangebot ärgern und aufregen können! Aber ich bin dort gewesen! Nun kann ich nicht mehr über mich selbst wütend oder enttäuscht sein. Ich habe mir mein Versprechen gehalten! Ich bin sogar etwas stolz darauf.
Es ist besser sich über das Wetter und anderen Kleinkram zu ärgern, als über sich selbst.