Der regenreichste Ort der Welt ist Kauai, eine der acht Hauptinseln von Hawaii. Irgendwo habe ich gelesen, dass es auf der Insel am Mount Wai’ale’ale 335 Tage im Jahr regnet. Immerhin ist es dort nicht sehr kalt.
So geht es mir auch. 335 Tage schwere bis leichte Depressionen und 30 Tage, die okay, gut oder fantastisch sind. Wenn jemand auf Kauai geboren wurde und immer dort geblieben wäre, dann würde derjenige 335 Tage Regen im Jahr für vollkommen normal halten. So ist mein Leben. 335 Tage im Jahr negatives Denken, Ängste, kein Selbstvertrauen, keine Energie, wenig Motivation, schnell erschöpft sein, nicht richtig Schlaf finden, innere Unruhe, Verspannungen, Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit, das Gefühl wertlos zu sein, Schuldgefühle, Scham, Reizbarkeit, Leere und wenn es richtig schlimm ist auch der Verlust der Gefühle, Gefühlslosigkeit, alles ist egal. Am Ende hatte ich das Gefühl, ich würde es auch so verdienen, ich sei selbst Schuld an allem. Das ist mein Leben. Das ist doch normal. Wenn ich faule Sau mich doch nur mehr anstrengen würde…
40 Jahre zogen an mir vorbei bevor ich begriff, dass es eben nicht normal ist. So merkwürdig es klingt, aber ich dachte wirklich, ich sei normal und alle anderen irgendwie auf Drogen oder einfach nur naiv oder doof. Mir war klar, dass ich anders ticke. Meine Skepsis war in Wirklichkeit Zweifel, meine Vorsicht war Angst und meine vermeintliche Faulheit war tatsächlich die Spitze des Eisberges Depression, der aus dem Meer hervorragte.
Immerhin: Besser spät als nie, oder?